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Bitterstoffe für den Darm - Die unterschätzten Helfer
Sauer macht lustig, was Süßes macht auch nicht traurig – und wie sieht es mit bitter aus? Nicht so prickelnd! Bitter mögen die meisten von uns nicht unbedingt im Essen. Dabei sind natürliche Bitterstoffe megagesund.
Ob es daran liegt, dass die Muttermilch – unsere erste Nahrungsquelle – so unnachahmlich süß mundet, dass wir alle so auf süß stehen? Es ist zumindest eine Annahme. Eine andere These zielt auf die evolutionäre Schutzfunktion von Bitterstoffen ab: Diese Bitterstoffe werden von Pflanzen abgesondert, um Fressfeinde abzuwehren. Bitter galt lange als per se giftig – was aber nicht (immer) zutrifft. Tatsache ist jedenfalls, dass bitter aus dem Quintett der Geschmacksrichtungen die am wenigsten Favorisierte ist. Süß, salzig, sauer und umami (fleischig-herzhaft) wird bitter in der Regel vorgezogen. Köche und auch die Industrie versuchen sogar, das Bittere aus den Lebensmitteln herauszulösen oder wegzuzüchten.
So entsteht Geschmack
Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten. Das Geschmacksempfinden ist, biologisch betrachtet, ein wahres Multitasking unterschiedlicher sensorischer Komponenten. Es ergibt sich erst aus der Kombination von Geruchs-, Geschmacks- und sogar Tastsinn, ob wir eine Speise mögen oder eher die Finger davon lassen. Und ganz klar ist: Die Verdauung beginnt bereits im Mund – wie wir kauen, was wir schmecken und damit favorisieren und wie wir die Nahrung einspeicheln, erfreut oder belastet unser größtes Verdauungsorgan, den Darm.
Im medizinisch engeren Sinn meint der Geschmackssinn die unmittelbare Wahrnehmung auf der Zunge. Die Geschmacksorgane sitzen genau hier, es sind die Geschmacksknospen, die in den Geschmackspapillen liegen. Diese wiederum sind minikleine Erhebungen, die man sogar mit bloßem Auge auf der Zunge erkennen kann. Etwa 2000 bis 4000 solcher Papillen finden sich auf der Zunge eines erwachsenen Menschen. Gelangt Essen in den Mund, werden die Sinneszellen hellwach und melden dem Gehirn alle Geschmäcker und mehr.
Früher nahmen Wissenschaftler an, dass die Zunge in verschiedene Geschmacksfelder aufgeteilt ist. Dem ist aber nicht so. Offenbar reagiert die Hälfte aller Sinneszellen auf alle fünf Geschmacksnoten, die andere Hälfte ist spezialisiert. Am Rand der Zunge sitzen übrigens mehr Geschmacksknospen als am Zungengrund, und eine große Anzahl der Bitterrezeptoren findet sich ganz hinten auf der Zunge.
Extra Tipp: Bitter statt süß
Wen ständig nach Süßem gelüstet, der probiert vielleicht mal eine spezielle Tinktur aus Bittertropfen (gibt es auch in der Apotheke). Diese Mischung wird aus Bitterkräutern wie Löwenzahn, Enzian, Lavendel oder Schwarzkümmel gewonnen. Bei Bedarf ein paar Tropfen auf die Zunge träufeln und der Heißhunger legt sich wieder.
Was sind natürliche Bitterstoffe?
Bitterstoffe sind das Dach, unter dem sich ein breites Spektrum von diversen chemischen Substanzen auftut, die alle eines gemeinsam haben: Sie schmecken bitter und kommen in der Natur in ganz unterschiedlichen Pflanzen vor: So findet sich zum Beispiel in Artischocken der Bitterstoff Cynarin, im Eisbergsalat ist das Lactucin zuhause und Intybin steckt im Endivien- oder auch im Chicoréesalat.
Geschmackstraining
Keine Sorge, auch wenn es Ihnen bei Bitterstoffen den Mund zusammenzieht und Sie die Nase empört kräuseln, man kann sich bitter auch antrainieren. Einfach immer wieder Bitteres auf den Teller anrichten und ein wenig davon probieren. Je öfter die Geschmacksknospen bitter schmecken, desto weniger alarmierend finden sie es. Dass die Zunge bei natürlichen Bitterstoffen nach etwas Trainingszeit sogar ein Wohlempfinden auslösen kann, bezeichnen Experten als den „Mere-Exposure-Effekt“, den reinen Gewöhnungseffekt.

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Bitterstoffe im Essen
Besonders viele Bitterstoffe liefern folgende Lebensmittel: Artischocken, Löwenzahn, die Salate Radicchio, Chicorée, Rucola, Wermutkraut (im Tee oder als Presssaft), Kaffee und sogar auch die Schokolade, aber nur jene mit einem sehr hohen Kakaoanteil (70 Prozent und mehr). Die Bitterstoffe sind in der Regel hitzestabil, wer Chicorée im Ofen oder auf dem Herd gart, schließt noch mehr Bitterstoffe auf. Enthalten sind die gesunden Substanzen auch in Zitrusfrüchten wie den Grapefruits oder in Kohlsorten (Grün- und Rosenkohl), in Fenchel, Kohlrabi, Auberginen, Oliven und auch in Gewürzen wie Kurkuma, Thymian, Estragon und Zimt. Brennnessel sowie grüner Tee liefern ebenso eine bittere Note.
Warum profitiert unser Darm von bitteren Substanzen?
Dafür gibt es mehrere Gründe:
Zum einen sind natürliche Bitterstoffe gute Assistenten der Darmtätigkeit: Sie regen gleich zu Beginn des Verdauungsvorgangs den Speichelfluss an, die Produktion von Magensaft wird gefördert und auf diese Weise können Speisen besser verwertet, Nährstoffe leichter dem Organismus zugeführt werden.
Weiterer Vorteil: Wer Bitteres auf seinen Speiseplan setzt, wird schneller satt. Das liegt an einem Hormon mit dem unscheinbaren Namen GLP-1. Die Bitterstoffe docken just an jenen Darmzellen an, die dieses Hormon herstellen. GLP-1 signalisiert dem Gehirn: „Hunger ist gestillt“, ein schnelles Sättigungsgefühl stellt sich ein.
Natürliche Bitterstoffe sind folglich so etwas wie natürliche Appetitzügler. Sie können direkt und auf gesunde Weise beim Abnehmen helfen.
Hinzu kommt, dass andere Verdauungs- und Entgiftungsorgane, wie die Leber und die Galle, die mit dem Darm eng kooperieren, besonders von den Bitterstoffen profitieren, weil einige den Gallenfluss verbessern und auch die Produktion der Magensäure anregen, die die Essensbestandteile im Magen aufschließt. Beides wirkt sich positiv auf den Fettstoffwechsel aus, der so von Bitterstoffen angeregt wird. Bittere Substanzen wirken also auch der gefürchteten Fettleber entgegen.
Unterm Strich fördern Bitterstoffe insgesamt eine gute Verdauung, denn sie regen die Peristaltik, also die Darmtätigkeit, an.
Das positive Fazit: Bittere Lebensmittel können bei der Umstellung auf eine gesündere Ernährung hilfreich sein: Wenn Sie häufiger Bitteres auf den Tisch bringen, schwinden sogar Heißhungerattacken und der ständige „Jieper“ auf Süßes.